Entstehung und Entwicklung des Sander Lippesee

Abgrabungssee

100 ha Fläche machen den Lippesee schon jetzt aus, bis zum Ende der Kiesabgrabungen, die ihn entstehen ließen und weiter formen, wird er sogar auf schätzungsweise 120 ha anwachsen.

Bautätigkeiten erfordern Sand und Kies, und so musste bereits in den 1960er Jahren die Auenlandschaft zu beiden Seiten der Lippe zwischen den Paderborner Ortsteilen Schloß Neuhaus und Sande der Gewinnung von Bodenschätzen weichen. Der Lippesee markiert dabei die größte Kiesabgrabung in der oberen Lippeaue, bei der auf 2km Länge die Lippe selbst mit abgegraben wurde.

Negative Auswirkungen des Flussdurchlaufs

Die Lippe floss über viele Jahre hinweg durch den See. Im Auslaufbereich hielt eine Staumauer den Wasserspiegel konstant. Dieser Eingriff beeinflusste auch den weiteren Flusslauf: Hatte sich die Lippe zuvor nur bei Hochwasser eingetrübt, verwandelte sie sich nun mehr und mehr von einem klaren zu einem trüben Gewässer. Nicht nur erwärmte sich das Flusswasser bei seiner Passage des Lippesees, es schwemmte auch Stillwasser-Plankton und Schwebstoffe aus dem See mit.

Sedimentfalle Lippesee

Der See bedeutete für den Fluss einen drastischen Einschnitt und begrenzte seine Ausbreitung. Das ließ sich an seinen tierischen Bewohnern bestens beobachten: Oberhalb des Sees, wo der Boden weiterhin aus kiesigem Substrat bestand, besiedelten Bachforelle, Äsche und Koppe den Fluss. Unterhalb des Sees zählte man nur noch hohe Bestände an Aalen, die weniger Ansprüche an ihren Lebensraum stellen. Kies und Sand hatte der Fluss im Anschluss an die Sedimentfalle Lippesee, in der sich alles ablagerte, nicht mehr oder kaum noch als Lebensraum zu bieten. Dieser Sedimententzug, die massiven Planktonausschwemmungen aus dem See und der Anstieg der Gewässertemperatur im Sommer verursachten in der Lippe unterhalb des Sees eine Verschlechterung der Gewässerstrukturen, der Gewässergüte und schließlich eine negative Entwicklung für den Lebensraum Lippe. Der Fluss allerdings schwemmte zu viele Nährstoffe und obendrein Müll in den See, der damit seinerseits ungünstig beeinflusst wurde.

Lippeumflut seit 2005

Diese Bestandsaufnahme Mitte der 1980er Jahre ließ aus ökologischer Sicht nur den einen Schluss zu, den Lippeverlauf vom Sander Lippesee zu trennen. Man leitete den Fluss durch eine künstliche Ersatzaue neben dem See um. Außerdem konnte man nach fünfjähriger Bauzeit im März 2005 die Umflut in Betrieb nehmen. Mit der Umflut begann die Lippe sich selbst ein neues Bett einzurichten. Die Profile sind flach und vielgestaltig geworden, Unterspülungen und Vertiefungen sind entstanden.

Kinderstube für Fische

Der Wasserlebensraum erholte sich schnell und gedeiht heute prächtig: Bereits wenige Wochen nach der Inbetriebnahme der Umflut hatten zuvor nur noch flussaufwärts des Sees vorkommende Fischarten den neuen Flussabschnitt besiedelt. Für Bachforellen, Äschen, Koppen und Elritzen stellt die Umflut eine regelrechte Kinderstube dar. Unzählige Jungfische wachsen im Bereich der überströmten Kiesbänke heran. Bis zu 70 cm große Barben sind aus der unteren Lippe in die Umflut aufgestiegen und nutzen hier die guten Nahrungsbedingungen.

Kühl und klar bis auf den Grund

Auch die ungünstige Sedimentverschiebung konnte mit der Umflut aufgehalten und umgekehrt werden. Ein Jahr nach Inbetriebnahme waren bereits über 10.000 cbm Kiese und Sande durch die eigendynamische Entwicklung der neuen Lippe umgelagert worden. Unterhalb des Sees sorgen die transportierten Feststoffe für eine Verbesserung der Gewässerstrukturen. Hatte der Durchlauf durch den See das Flusswasser mit Planktonmassen angereichert, gelbgrünlich gefärbt und getrübt, führt die Lippe dank der Umflut auch unterhalb des Sees wieder kühles, sauerstoffreiches und klares Wasser bis auf den Grund.

Auswirkungen der Umflut auf den See

Nicht nur für die Lippe, auch für den Lippesee stießen die Veränderungen eine positive Entwicklung an. Durch die Trennung schwemmt der Fluss nicht mehr Müll, Treibholz und Nährstoffe in den See. Vor allem die Reduzierung der Überversorgung mit Nährstoffen machte sich schnell und eindrucksvoll bemerkbar: Schon im Juni 2005 betrug die Sichttiefe im See mit durchschnittlich 2,28 m doppelt so viel wie im Vergleichszeitraum der Vorjahre. Dies kommt unter anderem den Wassersportarten im See deutlich zugute.

Wasservögel müssen im Winter woanders fischen

Einzig die Wasservögel profitierten nicht von den Maßnahmen. So lange die Lippe den See durchfloss, bewegte sich auch dessen Wasser. Der See friert nun öfter zu und steht als Nahrungsquelle und Schutzraum in harten Wintern nicht mehr zur Verfügung. Enten, Gänse, Schwäne und Möwen können allerdings auf die Lippe selbst und andere offene Gewässer ausweichen.

Hochwassersituation stabil

Die Hochwassersituation bleibt auch mit der Einrichtung der Lippeumflut unverändert. Wie gehabt, fließen die Hochwasserspitzen in den Lippesee und über das Auslaufbauwerk zurück in die Lippe.